Eswatini: Mit Gewalt gegen Demokratie-Anhänger

Ende Juni eskalierten die Pro-Demokratie-Proteste in Eswatini. Die Sicherheitskräfte antworteten mit Gewalt. Die Regierung bagatellisierte, der König schwieg. Die Menschen sind schockiert und aufgebracht, aber hoffen nach wie vor, dass die Proteste einen echten Wandel bewirken können. Die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) versucht, bei der Wiederherstellung des Friedens im Land zu helfen.

Von Phil Donnell (Kindernothilfe-Landeskoordinator von Südafrika und Eswatini)

In den vergangenen Wochen kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern des Royal Swazi Police Service und der Umbutfo Eswatini Defence Force (UEDF) und pro-demokratischen Demonstranten. Dabei wurden angeblich mehr als 60 Aktivisten getötet, gefoltert und entführt. Die zunächst unbestätigten Videos in den sozialen Netzwerken zeigten, wie Polizei und Soldaten mit Gewalt gegen die Protestierenden vorgingen, Menschen aus ihren Häusern zerrten und verprügelten. Mittlerweile haben lokale Bürgerjournalisten das Ausmaß der Brutalität offiziell aufgedeckt.

Sicherheitskräfte reagieren auf Proteste mit brutaler Gewalt

Die Regierung in Eswatini leugnet das Ausmaß der Toten und Verletzten. Das Staatsoberhaupt König Mswati III. schweigt. Die Regierung Südafrikas hingegen äußerte sich in einer Erklärung ihres Außenministeriums besorgt über die Gewalt im Nachbarland. Auch die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) für Politik, Verteidigung und Sicherheit war alarmiert. Botswanas Minister für internationale Angelegenheiten und Zusammenarbeit Lemogang Kwape leitete die Delegation, die am 4. Juli eintraf. „Sie seien auf der Suche nach Frieden in Eswatini.“ Pro-demokratische Anhänger kritisierten jedoch die von der eswatinischen Regierung entsandten Teilnehmer. Die SADC betonte inzwischen, dass ihre Delegation bald für ein weiteres Treffen nach Eswatini zurückkehren würde. Diesmal mit einer größeren Gruppe von Akteuren, darunter auch junge Menschen.

Ausgangssperre und Internetsperre zur Verweigerung der Meinungsfreiheit genutzt

Drei pro-demokratische Parlamentsabgeordnete sprachen sich kürzlich offiziell für eine demokratische Regierung aus. Zumindest aber für die Wahl des Premierministers, den bis dato der König ernennt. Premierminister Ambrose Dlamini war im Dezember 2020 verstorben – nach seinem positiven COVID19-Test. Außerdem plädierten sie für eine konstitutionelle Demokratie ohne politischen Einfluss des Königs. Dies löste eine Bürgerbewegung im ganzen Land aus. Mittels Petitionen forderten sie auch andere Abgeordnete auf, diese Themen zu diskutieren. Die zunehmende Dynamik veranlasste das Parlament, solche Bürgerininitiativen zu verbieten. Dieses Verbot der freien Meinungsäußerung führte in den letzten Wochen zu Demonstrationen. Am 28. Juni eskalierte die Situation. Unzählige Demonstrirende waren in den beiden größten Städten, Mbabane und Manzini, auf die Straße gegangen. Die Armee schritt ein, nachdem Lastwagen abgefackelt und Geschäfte geplündert worden waren. Es schien, dass zunächst Regierungseigentum und königsnahe Unternehmen betroffen waren.

A national library in Nhlangano was burnt as it was to belong to the King (credits: Phil Donnell)
Eine Nationalbibliothek in Nhlangano wurde verbrannt, da sie angeblich dem König gehörte. (Credits: Phil Donnell)

Am 29. Juni verkündete der amtierende Premierminister eine tägliche Ausgangssperre von 18.00 bis 5.00 Uhr. Schulen wurden mit sofortiger Wirkung geschlossen. Die Öffnungszeiten von Geschäften auf spätestens 15.30 Uhr beschränkt. Er mahnte zur Ruhe und hielt die Demonstrierenden an, sich schriftlich an die Regierung zu wenden. Außerdem wurde das Internet in Absprache mit den nationalen Mobilfunkanbieter MTN und Eswatini Mobile zeitweise abgesperrt. Damit wurde es schwierig, verlässliche Nachrichten aus dem Land zu erhalten oder einfach nur mit anderen zu kommunizieren. Viele Bürgerinnen und Bürger folgten dem Aufruf, ihrer Arbeit fernzubleiben.

Obwohl sich die Lage in Eswatini letzte Woche zu beruhigen schien, sind die Menschen immer noch voller Wut und Zorn, wie Aktivisten vermelden. Denn weder König Mswati III. noch der Premierminister haben sich zu den Forderungen der Demonstrierenden geäußert. Weitere Protestaktionen sind geplant.

Kindernothilfe-Partner berichten

Laut Ausagen der lokalen Partnerorganistionen war die Mehrheit der Demonstrierenden friedlich. Allerdings bestätigen sie, dass es Ende Juni vor allem in Mbabane und Manzini zu zahlreichen Plünderungen, Gebäudebränden und Einschüchterungen kam. Die Mitarbeitenden selbst sind in der letzten Woche zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause geblieben. Es gibt so gut wie keine lokalen Taxis mehr, und die Fahrt mit dem Auto ist unsicher. Einige Geschäfte öffneten wieder, aber es bildeten sich lange Schlangen, als die Menschen versuchten, sich mit Lebensmitteln einzudecken. An mehreren Tankstellen was das Benzin ausgegangen.

A local store owned by a foreigner was looted and burnt (credits: Phil Donnell)
Ein lokales Geschäft, das einem Ausländer gehört, wurde geplündert und verbrannt (Credits: Phil Donnell)

Enock Dlamini, Direktor von ACAT Lilima mit Sitz in Mbabane, beschrieb die Situation so: „Es mag jetzt sehr normal scheinen. Aber ich bin mir bewusst, dass dem nur so ist, weil hinter den Kulissen so viel vor sich geht. Und man versucht, einen friedlichen Weg für unser Land zu finden. Ich weiß auch, dass die Menschen aufgrund der sehr offensichtlichen Verluste in den vergangenen Wochen mit Schmerz und Wut dasitzen. Es ist alles innerhalb einer sehr kurzen Zeit passiert, nur zwei Nächte. Aber der Wiederaufbau und der Umgang mit dem Verlust des Lebens von geliebten Menschen wird definitiv Jahre dauern.“

Eine ungewisse Zukunft

Wie lange die aktuelle Situation noch andauern wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen. Es könnte Tage oder sogar Wochen dauern, bis Ruhe einkehrt und das „normale“ Leben wieder beginnt. Vieles wird von der Haltung und dem Vorgehen der Regierung gegenüber den Protestierenden abhängen. Das Schweigen des Königs ist nicht hilfreich für die Situation. Je länger jedoch die Ausgangssperre und der Internet-Blackout andauern, die Kinder nicht zur Schule gehen und die wirtschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt werden, desto mehr wächst die Sorge um die Ernährungssicherheit der Schwächsten und die Sicherheit der Menschen in Eswatini. Ob die jüngsten Entwicklungen die Zahl der COVID19-Infektionen und Todesfälle verschlimmert haben werden, bleibt abzuwarten.

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Autor: Kindernothilfe e.V.

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