Es war ein zähes Ringen, bis die Weltarbeitsorganisation (IAO) endlich akzeptierte, bei ihren Weltkonferenzen zum Thema Kinderarbeit auch die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen. Bei der diesjährigen 5. Weltkonferenz zur Beseitigung der Kinderarbeit in Durban, Südafrika (15.-20.05.2022) saßen Kinderarbeiter:innen erstmals bei einer offiziellen Veranstaltung mit auf dem Podium und redeten mit.
Von Jürgen Schübelin
Fünf der 55 Mädchen und Jungen, die mitdiskutierten, kamen von Partnern der gemeinsamen Kindernothilfe- und terre des hommes International Federation-Kampagne Dialogue Works. Sie waren eingeladen, von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Lea Kulakow und Laura Goldschmitt vom Kindernothilfe-Referat Bildung und Öffentlichkeitsarbeit begleiteten die Jugendlichen.
Haben die Erwachsenen, die sich in der IAO und anderen UN-Organisationen mit ausbeuterischer Kinderarbeit beschäftigen, jetzt endlich verstanden, dass sie nicht nur über arbeitende Kinder, sondern auch mit ihnen reden müssen?
Lea Kulakow: Ja hoffentlich. Das werden wir bei der nächsten Konferenz sehen! Geholfen hat, dass die gastgebende südafrikanische Regierung diese Beteiligung ebenfalls wollte und sich durchsetzte. Jetzt gilt es sicherzustellen, dass wir keine Ausnahme erlebt haben.
Insofern: Es war ein Durchbruch, aber nicht der Durchbruch!
Laura Goldschmitt: Die Beiträge der fünf Dialogue Works-Jugendlichen, Juliet, Michelle und Andrew aus Kenia, Kabwe aus Sambia und Ashley aus Guatemala waren so stark und eindrucksvoll, dass es hinterher auch von allen erwachsenen Beteiligten sehr positives Feedback gab. Dahinter wird die IAO nur sehr schwer zurückkönnen.
Diese Weltkonferenz fand in einem extrem schwierigen Kontext statt. Weltweit steigt die Zahl arbeitender Kinder. Die sozialen Corona-Schleifspuren und die monatelangen Unterrichtsausfälle haben gerade diese Gruppe besonders hart getroffen. Und jetzt droht in vielen Ländern im Gefolge des russischen Angriffs auf die Ukraine eine Verschärfung der Armutssituation. Was forderten die Jugendlichen in Durban vor diesem Hintergrund von der IAO und ihren Regierungen.
Lea Kulakow: Die 55 Jugendlichen hatten auf einem Vorbereitungsworkshop ihre Kernforderungen abgestimmt. Der 18jährige Kabwe aus Sambia brachte in der Konferenz ein zentrales Anliegen auf den Punkt: Der Zugang zu Bildung und Ausbildung ist für arbeitende Kinder und Jugendliche ganz entscheidend! Aber danach braucht es auch fair bezahlte feste Jobs. Sonst wird sich an den grundsätzlichen Problemen nichts ändern.
Laura Goldschmitt: Mich hat auch das Statement von Ashley (15) aus Guatemala überzeugt: Sie forderte von den IAO-Delegierten und den Regierungen weltweit, endlich mit staatlichen Stipendienprogrammen und gezielten Förderstrategien den Zugang arbeitender Kinder zu Schule und Berufsbildung dauerhaft zu verbessern. Und natürlich wiederholten die Kinder in Durban immer wieder eine Kernforderung, die auch wir als Kindernothilfe seit Jahren vortragen: Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist ganz entscheidend, dass Eltern – Erwachsene – für ihre Arbeit faire Löhne bezahlt bekommen und es gelingt, mehr reguläre Jobs zu schaffen und den informellen Sektor zurück zu drängen.
Gab es Antworten von IAO-Offiziellen?
Lea Kulakow: Thomas Wissing vom IAO-Advocacy-Team sprach von der Notwendigkeit, flexible Lösungen zu finden, um arbeitenden Kindern alternative Einkommensquellen erschließen zu helfen – und Möglichkeiten zu schaffen, sie in soziale Sicherheitssysteme zu bekommen, sprich unter anderem kranken- und rentenversichern zu können. Das ist sehr wichtig, um strukturelle Armut zu beenden.
Was haben die Kinder von dieser Konferenz in Durban mitgenommen?
Laura Goldschmitt: Der internationale Austausch untereinander war einfach unvergesslich! Und dann die Diskussionen mit den Erwachsenen. Die Kinder und Jugendlichen, die sich zu Wort gemeldet haben, kritische Fragen stellten, waren total cool. Das macht so viel mit den Kindern. Es gibt für sie jetzt eine Perspektive, noch viel mehr erreichen zu können.
Und wie geht es jetzt für Dialogue Works weiter?
Laura Goldschmitt: Wir planen für Januar 2023 eine eigene Dialogue Works Konferenz mit 80 arbeitenden Kindern aus 15 Ländern. Dazu wollen die Kinder auch Vertreter:innen der IAO und anderer Organisationen einladen.
Lea Kulakow: Das soll dann wirklich ein kinderfreundliches Treffen werden, vom ganzen Ablauf her. Aber wir dürfen uns mit Dialogue Works nicht nur auf Konferenzen fokussieren: Am Ende sind es die nationalen Regierungen, die Konventionen und Gesetze zum Schutz arbeitender Kinder umsetzen müssen – und dann, wenn sie das nicht tun – öffentlich zur Verantwortung gezogen werden. Bei diesem Monitoring spielen auch die Kindernothilfe-Partner, die zum Thema arbeiten und natürlich die Kinder selbst eine ganz wichtige Rolle. Eine Erkenntnis aus Durban lautet: Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem es um die Umsetzung geht. Die Lösungen sind da!