Unser Projektpartner Aynimundo in Peru arbeitet mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen sowie ihren Familien. Wie hat sich die Arbeit in den Armenvierteln im Süden der peruanischen Hauptstadt Lima durch die Corona-Pandemie verändert? Die Kindernothilfe-Freiwillige Ilse Kreiner berichtet.
Text: Ilse Kreiner
In meinem letzten Bericht aus dem Projekt Aynimundo habe ich von einem typischen Arbeitstag der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter erzählt. Da gab es Therapien für Kinder mit Behinderung sowie psychologischen Support für deren Eltern oder Familienangehörige. Auch Unmengen von Beratungsgesprächen für Start-up-Unternehmen waren Teil davon.
Das war Anfang März dieses Jahres. Mittlerweile ist alles anders, und ich berichte sinngemäß aus dem Homeoffice in meinem Heimatort in Österreich. Mein Name ist Ilse Kreiner. Ich habe als Teilnehmerin an dem Kindernothilfe-Lern- und Freiwilligen-Programm (LFD) mehrere Monate im Partnerprojekt Aynimundo in Peru mitgearbeitet. Es gelang mir, mit dem allerletzten regulären Flug nach Hause zurückzukehren, der Lima vor der Schließung des internationalen Flughafens Richtung Europa verlassen hat.
Shutdown in Peru
Am Abend des 15. März kündigte der peruanische Präsident den totalen Shutdown ab dem nächsten Morgen an. Es waren ähnliche Maßnahmen wie in Europa, nur alles viel restriktiver, mit rigorosen Ausgangssperren für alle Bürger. Selbst das Einkaufen von Lebensmitteln und Medikamenten wurde auf wenige Stunden pro Tag eingeschränkt. Seitdem dürfen Kinder das Haus nicht mehr verlassen.
Bereits sonntagabends, ich saß noch am Flughafen in Peru, habe ich per WhatsApp mitverfolgt, wie meine Kollegen von Aynimundo umgehend begonnen haben, ihre Arbeit im Homeoffice zu organisieren. Sie erstellen Listen mit den physisch benötigten Unterlagen. Zudem haben sie Vorschläge erarbeitet, wie zumindest ein Teil des Angebots von Aynimundo aufrechterhalten werden könnte.
Kinder mit Behinderungen trifft es besonders schwer
Am schlimmsten hat es die Kinder mit Behinderung getroffen, denn virtuelle Physiotherapie ist nun einmal nicht möglich. Da ist der kleine Matias. Vor wenigen Wochen erst habe ich ihn dabei beobachtet, wie er lernt, sich und seine Umwelt zu erspüren. Jetzt versucht seine Mama, die Anleitungen, die sie von der Therapeutin per Video bekommt, so gut wie möglich zu Hause umzusetzen. Damals ist er durch bunte Farben gestapft, jetzt sind es nur Sand und Wasser.
Oder da ist der achtjährige Mauro, der sich sprachlich nicht gut ausdrücken kann und Schwierigkeiten hat, mit seiner Umgebung zurechtzukommen. Seine Mutter hat mir kürzlich erzählt, dass sie penibel alle Anweisungen und Tipps befolgt, die sie von Aynimundo erhält. Allerdings wird er ohne Kontakt zu anderen Kindern trotz aller Bemühungen in seiner Entwicklung leider weit zurückgeworfen werden. Das zu beobachten macht wirklich traurig.
Technologische Herausforderungen
Ein besonderes Anliegen in dieser schwierigen Zeit ist Aynimundo die Zusammenarbeit mit Schuldirektoren und Lehrern. Wie bereits seitens des peruanischen Präsidenten angekündigt, wird das komplette Schuljahr 2020 in Peru virtuell, also online unterrichtet werden. Das ist für alle eine immense Herausforderung, die durch die schlechte technische Ausstattung eines großen Teils der Familien noch verstärkt wird.
Die ersten, die dabei auf der Strecke bleiben könnten, sind die Schüler und Schülerinnen mit besonderen Bedürfnissen. Aynimundo versucht alles, um den Lehrkräften in den Kontaktschulen zu erklären, wie sie telefonisch den Kontakt zu ihnen aufrechthalten können. Und vielleicht kommen ja auch ein paar der von der Regierung versprochenen Gratis-Notebooks bei diesen besonders benachteiligten Familien an.
Auch gute Nachrichten aus Peru
Erfreuliches gibt es von unseren Jungunternehmerinnen zu berichten. Fast alle haben die Zeit genutzt, um ihren Internetauftritt wesentlich zu verbessern. Selbst unseren „technikfernen“ Kundinnen hat mein Kollege Christian in vielen Videostunden erklärt, wie Ihnen das Internet nutzen kann. Manche haben kurzerhand ihr Angebot an die Pandemie- und Quarantäne-Situation angepasst:
„Miski Luz“, ein Start-up aus dem Jahr 2019, bietet Kuchen und Torten an. Dafür ist derzeit wenig Geld übrig, aber gegessen wird immer. Also bäckt Luz, die Chefin, Brötchen und verkauft etwa 80 Stück pro Woche an Freunde, Nachbarn und Mitarbeiter von Aynimundo. Eine spezielle Erfolgsgeschichte ist auch die von „Erikas‘s“ Konfektion für Kinder und Erwachsene. Es ist eines unserer jüngsten Unternehmen. Die Einführung fand am 11. März mit einer kleinen Feier statt – nur fünf Tage vor dem Shutdown. Erika produziert jetzt Masken für Ärzte und Pflegepersonal, aber auch für den täglichen Gebrauch in phantasievollen Varianten. Ein echter Renner in Zeiten wie diesen.
Eine ungewisse Zukunft
Was machen aber alle jene, die darauf angewiesen waren, durch Straßenverkauf und Gelegenheitsarbeiten über die Runden zu kommen? Sie sind seit zwei Monaten ohne Einkommen, und die versprochene staatliche Hilfe kommt meist nicht an. Dank persönlicher Kontakte von Verónica, der Leiterin von Aynimundo, konnten im Ausland Spenden gesammelt werden. Dadurch erreichten bereits 250 Pakete mit Grundnahrungsmitteln rund 90 besonders bedürftige Familien. Zum Glück läuft auch die Projektförderung durch die Kindernothilfe uneingeschränkt weiter. Somit sind die Therapeuten in der Lage, den unabdingbaren Kontakt zu den Kindern und ihren Familien aufrechtzuhalten.
Leider steigen die Infektionszahlen in Peru noch immer an. Vor kurzem hat mir ein Freund erzählt, dass die Regierung die meisten Beschränkungen bis 30. Juni verlängert hat. Es wird also noch sehr lange dauern, bis Aynimundo den Normalbetrieb wieder aufnehmen können wird. Und ab wann ich wieder dazustoßen und meinen Freiwilligen-Einsatz fortsetzen kann, steht wohl leider noch in den Sternen …
Einen Bericht über die Anfänge des „Aynimundo“-Projektes finden Sie hier.