Zum Gedenken an Norbert Blüm

Text und Fotos sind von Theo Heyen, freiberuflicher Fernsehjournalist für Arte, 3Sat, ZDF und andere Sender. 2002, damals noch bei Stern TV, begleitete er Norbert Blüm auf einer Kindernothilfe-Reise nach Afghanistan. Er hat uns erlaubt, diese berührende Episode, die er auf seinem privaten Facebook-Account gepostet hat, hier zu veröffentlichen. Dafür sind wir ihm sehr dankbar!

Norbert Blüm. Ob das denn wirklich ein ehemaliger Minister sei, will ein afghanischer Vorarbeiter unbedingt von mir wissen, das könne doch gar nicht sein und deutet auf einen Mann, der ein paar Meter weiter auf Knien am Schweißgerät hockt und eine saubere Arbeit hinlegt. Oktober 2002, einige Dutzend Kilometer von Kabul entfernt, Norbert Blüm ganz in seinem Element. Hier werden einfachste Häuser gebaut für die Bevölkerung, mit erdbebensicheren Dachkonstruktionen, finanziert damals von der Kindernothilfe, für die Blüm unterwegs ist (und die wir für Stern TV begleiten).

Norbert Blüm in afghanischer Landestracht
Gekleidet wie Einheimische

Der kleine Mann, damals Mitte 60, verblüfft mich während dieser Reise (ich glaube, das waren zwei Wochen) ein ums andere Mal. Er ist die Ruhe selbst. (Es ging von Peschawar über den Khaiber-Pass nach Kabul, in einem uralten kleinen klapprigen Bus, ohne Sicherheitskräfte, gekleidet wie Einheimische – man hat uns dazu geraten, um nicht aufzufallen.) Du fährst in einem klapprigen Bus auf einer Schotterpiste unmittelbar am Bergrand, blickst ins Tal und siehst mit Erschrecken dort jede Menge abgestürzter Autos. Und Blüm? Der schläft dabei. Auf dem Heimflug mit der Bundeswehr, du sitzt in einer Transall, die fliegt plötzlich harte, wilde Ausweichmanöver wegen Raketenalarm, draußen knallen die Raketenabwehr-Sprengkörper, du drehst dich zur Seite zu Blüm hin: der schläft in aller Seelenruhe. Der Mann hat schon so viel erlebt, und er vertraut auf den lieben Gott.

Es ist eine Erlebnisreise, und nicht alle Erlebnisse sind lustig. Was wir dort an Elend sehen, gerade auch bei den Kindern, bewegt uns tief. Und wie dankbar die Menschen sind für das bisschen Hilfe, was dort geleistet wird. Eine einfache Schule hat die Kindernothilfe in Jalalabad aufgebaut für behinderte Kinder. Kinder, die man früher dort – aus einem Aberglauben heraus – in Ställen weggesperrt hat. Ein alter Mann bringt sein taubstummes Enkelkind jeden Tag zu Fuß dorthin und holt das Mädchen am Nachmittag wieder ab. Jeder Fußmarsch ist etwa zehn Kilometer. Der alte Mann ist so dankbar, dass das Kind lesen, schreiben, rechnen lernt.

Norbert Blüm hat viele solcher Reisen unternommen, zum Beispiel auch in den Süd-Sudan, nicht selten unter strapaziösen Bedingungen. Ich habe ihn nie klagen hören. Mag sein, dass auch er seine Schattenseiten gehabt hat. Ich kann nur sagen, dass ich keine entdeckt habe. Norbert Blüm war von der Körpergröße her ein kleiner Mann. Aber viele, die ihn kennengelernt haben, schauten zu ihm auf.

Norbert Blüm ist nun gestorben. An den Folgen einer Sepsis, die zu den gefährlichsten und leider auch oft zu spät bemerkten Krankheiten zählt. Ich habe ihn sehr gemocht, auch wenn wir nur zwei Wochen miteinander verbracht haben. Ruhe in Frieden. Und seiner Familie viel Kraft.

Norbert Blüm mit Afghanen im Bergland unweit von Kabul

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Autor: TLo

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