Was tun, wenn deine Schwester stirbt und du plötzlich acht Kinder mehr zu versorgen hast? Birhane Niguse, die in ihrem Dorf in Äthiopien zu den Ärmsten der Armen gehörte, hat das schier Unmögliche geschafft. Indem sie immer an sich geglaubt hat, kann sie ihrer Familie heute sogar einen gewissen Wohlstand bieten. Ihre Geschichte ist zugleich ein Beispiel dafür, wie unsere Selbsthilfegruppen Menschen dabei unterstützen, sich aus eigener Kraft eine Zukunft aufzubauen. Ein Bericht unseres äthiopischen Partners CoSAP.
Birhane Niguse lebt in Fiche in der äthiopischen Verwaltungsregion Oromia. Nach dem Tod ihrer Schwester nahm sie ihre acht Nichten und Neffen von heute auf morgen mit in die Familie auf. Dabei war das Überleben vorher schon hart genug: Manchmal gab es nicht genug zu essen für alle, als Bett diente der blanke Lehmboden des Hauses, und Birhane hatte keinerlei Ersparnisse. Schließlich zählt Äthiopien zu den ärmsten Ländern in Afrika. Für eine alleinstehende Frau, die in bedrückender Armut lebte, war die Aufnahme von acht Kindern eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
„Licht der Liebe“: Eine Selbsthilfegruppe in Äthiopien als Starthilfe
Die Wende kam dann 2011, als Birhane der Selbsthilfegruppe Birhan Fiker („Licht der Liebe“) beitrat. In der Gemeinschaft mit anderen Frauen, die genauso arm waren wie sie, lernte sie, wie man mit geringen Mitteln ein kleines eigenes Geschäft aufbaut sowie Geld und Kleinkredite verwaltet. „Ich hatte einen Traum und wusste, dass ich Kraft und Ausdauer habe. Aber erst die Selbsthilfegruppe hat mich dazu gebracht, meine Zukunft in die Hand zu nehmen. Dadurch habe ich viel Selbstvertrauen gewonnen.“
Genau wie die anderen Frauen der Gruppe zahlte sie regelmäßig kleine und kleinste Geldbeträge in die gemeinsame Kasse ein. Aus dieser Kasse werden bei Bedarf Kredite an die Mitglieder ausgezahlt. Ihr erstes Darlehen nahm Birhane gleich 2011 auf. Mit den gerade mal 70 Birr (umgerechnet ca. vier Dollar), füllte sie ihren kleinen Hausladen auf. Der Gewinn, den sie damit machte, ermutigte sie, weitere Kredite aufzunehmen und damit nacheinander drei Kühe zu kaufen. Die Milch verkaufte sie oder verarbeitete sie mitunter weiter zu Butter. Dadurch erhöhte sie beständig das Familieneinkommen und zahlte die Kredite ohne Probleme zurück. Mit einem weiteren Darlehen kaufte sie Schafe für die Zucht. Mittlerweile sind daraus elf geworden, die mitsamt den Kühen auf Weideland grasen, das sie mit ihrem jüngsten Selbsthilfegruppen-Darlehen erworben hat.
Dank Birhanes Erfolg können die Kinder studieren
In den acht Jahren ihrer Mitgliedschaft in der Selbsthilfegruppe hat Birhane sechs Kredite für insgesamt erstaunliche 50.000 Birr (ca. 1.660 Dollar) aufgenommen. Damit konnte sie nicht nur ihren Laden auf Erfolgskurs bringen, mit der Viehhaltung hat sie auch ein neues und gewinnbringendes Geschäftsfeld aufgetan. Bevor sich die Selbsthilfegruppe gründete, wäre das nicht möglich gewesen. Da waren die Dorfbewohner gezwungen, Kredite von einem lokalen Geldverleiher aufzunehmen, der Wucherzinsen von bis zu 15 Prozent verlangte.
Heute ist Birhane Sekretärin ihrer Selbsthilfegruppe und strahlt das Vertrauen aus, das die finanzielle Sicherheit bietet. Weil sie so erfolgreich gewirtschaftet hat, lebt sie in einem renovierten Haus (einschließlich Kühlschrank) und kann ihrer Familie Lebensbedingungen bieten, von denen sie und viele anderen in den Dörfern Äthiopiens vorher nicht einmal zu träumen wagte.
Das Wichtigste ist jedoch für sie, dass ihre Nichten und Neffen jetzt eine gute Schulbildung erhalten und sogar studieren können. Überdies kann sie es sich sogar leisten, ein wenig zu feiern: Kürzlich verkaufte sie eine ihrer Kühe, um damit das Fest für den Universitätsabschluss ihrer Nichte zu bezahlen. Dafür ist sie sehr dankbar: „Das alles habe ich der Selbsthilfegruppe zu verdanken!“