„Barrieren durchbrechen – Brücken bauen“ heißt das Motto der 22. Weltaidskonferenz, die heute in Amsterdam startet. Der Kampf gegen Aids hat in der vergangenen Zeit enorme Fortschritte gemacht. Doch bereits jetzt lässt sich sagen: Es gibt trotz der vielen Erfolge große Zukunftssorgen. Ein aktueller Überblick über den Stand im Kampf gegen HIV.
Bis kommenden Freitag werden 18.000 Wissenschaftler, Betroffene sowie Vertreter von Regierungen, aus Pharmaindustrie und Zivilgesellschaft zusammenkommen, um über Aids zu diskutieren. Seit den ersten Weltaidskonferenzen geht es neben dem Kampf gegen Stigma und Diskriminierung immer auch um die Suche nach Behandlungsmöglichkeiten. In den 1990er Jahren war es noch unvorstellbar, alle Betroffenen medizinisch behandeln zu können. Heute ist es realistisch. Aber nur, wenn der politische Wille dafür erhalten bleibt. 2019 ist Frankreich Gastgeber der nächsten Finanzierungskonferenz. Allerdings ist noch vollkommen unklar, ob die erforderlichen Mittel für ein Ende von Aids bis 2030 tatsächlich zugesagt werden oder ob am Ende doch Rückschritte drohen.
Eine günstige Ausgangsposition für einen Sieg über Aids
Jetzt entscheidet sich, ob es der Weltgemeinschaft gelingt, Aids in den noch verbleibenden zwölf Jahren zu besiegen. Die diesjährige Weltaidskonferenz könnte dazu den entscheidenden Beitrag leisten. Möglich ist es allemal – schließlich befinden wir uns im Kampf gegen das Virus und deren Folgen in einer relativ guten Situation:
1) Noch nie war die Anzahl der Menschen in lebenslanger HIV-Behandlung so groß. Und diese Zahl wächst weiter, wenn auch nur langsam.
2) Die Behandlung wirkt auch präventiv. Menschen in Behandlung sind durch die wirkungsvollen modernen Behandlungen kaum noch ansteckend.
3) Schwangere mit HIV werden fast flächendeckend bevorzugt behandelt. Das lässt die Mütter überleben und verhindert, dass Kinder wie in den vergangenen Jahrzehnten massenhaft zu Aidswaisen werden. Und immer weniger Babys kommen mit HIV zur Welt.
4) Endlich wurden Medikamente und Tests auch für Kleinkinder entwickelt und stehen mehr und mehr Kleinkindern zu Verfügung. Etwa die Hälfte der Kleinkinder kann getestet und dauerhaft behandelt werden.
Die Hürden im Kampf gegen Aids
Die Entwicklungen wirken auf den ersten Blick entspannend, fast schon beruhigend. Doch genau diese Einschätzung lässt Aids die Gelegenheit, zu überleben. Denn trotz vieler Fortschritte ist es noch ein langer, unsicherer Weg bis zum Ziel einer aidsfreien Welt bis 2030:
1) Nur gut die Hälfte der Menschen weltweit ist in Behandlungsprogrammen und hat eine Chance auf ein längeres Leben. Die Finanzierung der Behandlung für diese große Zahl von HIV-Betroffenen ist nicht dauerhaft gesichert. Auch die Bundesregierung ist gefordert: Angesichts seiner Wirtschaftsleistung muss Deutschland bei der Auffüllungskonferenz des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Aids 400 statt 225 Mio. Euro jährlich zur Aidsbekämpfung beitragen.
2) Besonders verletzliche Zielgruppen werden viel zu wenig erreicht und müssen in den Mittelpunkt der HIV-Prävention rücken. Dies betrifft viele Mädchen und junge Frauen sowie Menschen, die in Kriegsgebieten leben oder vor Kriegen auf der Flucht sind. Ebenso problematisch ist in vielen Staaten der Zugang zu Tests und HIV-Behandlung für Gefängnisinsassen, Drogennutzer, Zwangsprostituierte oder Homosexuelle.
3) Neue Regionen – besonders Osteuropa und asiatische Staaten – ignorieren HIV oder stigmatisieren die Betroffenen und tragen dadurch erheblich zu den 1,8 Millionen Neuinfektionen weltweit bei.
4) Immer noch müssen fast 80 % der nicht behandelten Kinder innerhalb der ersten zwei Lebensjahre durch fehlende Test- oder Behandlungsmöglichkeiten sterben. Das betrifft fast die Hälfte der 2,1 Millionen Kinder mit HIV.
Die Weltaidskonferenz: Appell zur kollektiven Partizipation
Auf der Weltaidskonferenz kommt eine Vielzahl an Themen zur Sprache: von sozialen Fragen wie Solidarität mit den Betroffenen und Entstigmatisierung bis hin zu medizinischen Themen wie Aids-Prophylaxe-Methoden das zunehmende Risiko einer Tuberkulose-Koinfektion. Fest steht: Unter den Beteiligten in Amsterdam sind die engagiertesten Aktivisten für HIV-Betroffene weltweit. Aber sie brauchen mehr politischen Willen und finanzielle Unterstützung. Ohne Unterstützung aller gesellschaftlichen Kräfte wird Aids auch noch 2030 viel zu viele Menschenleben kosten.