Sexuelle Ausbeutung im Tourismus und auf Reisen

Endlich wieder reisen. Nach dem entbehrungsreichen und schwierigen Winter sehnen sich viele mehr denn je nach Urlaub. Reisen ist für die meisten Menschen etwas Schönes. Aber so schön Urlaub auch ist, hat das Reisen auch negative Auswirkungen. Dazu gehören Sexualstraftäter:innen, die sich als Touristen tarnen und ungestraft Kinder sexuell ausbeuten. Viele der Urlaubsländer, die sie ansteuern, sind bekannt für diese Art der Ausbeutung: Thailand oder die Philippinen zum Beispiel. Aber auch Kenia ist leider ein beliebtes Ziel für dieses abscheuliche Verbrechen.

Text: Dr. Magdalene Pac, Fotos: Lars Heidrich

Kenia ist mit seiner reichen Tierwelt und den weiten Sandstränden ein beliebtes Reiseziel auf dem afrikanischen Kontinent. Insbesondere die Küstenregion wird von Tourist:innen gerne angesteuert. 2019 reisten ca. zwei Millionen Ausländer:innen nach Kenia. Wie viele davon kamen, um Kinder auszubeuten, ist natürlich nicht bekannt. Auch zu der Anzahl der Kinder, die von kommerzieller sexueller Ausbeutung durch Tourist:innen in Kenia betroffen sind, gibt es bis auf unzuverlässige Schätzungen wenig Informationen. Zahlreiche Berichte unserer Partnerorganisationen, eine Studie von ECPAT [1] sowie aufmerksame Beobachtungen in den Küstenstädten Kenias lassen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern allerdings nur zu sichtbar werden. Und die Gefahr wächst.

Die Verbreitung sexualisierter Gewalt in Kenia

Die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Reisende hat auch damit zu tun, dass Gewalt gegen Kinder weit verbreitet ist: Laut einer 2019 erschienen Studie der kenianischen Regierung [2] erleben sechs Prozent aller kenianischen Jungen und 15 Prozent aller Mädchen sexualisierte Gewalt – das ist eines von sechs Mädchen. Gewalt gegen Kinder und Frauen gilt als normal und wird in einem hohen Maß akzeptiert.

Kenia
Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern ist ein abscheuliches Verbrechen in vielen Ländern, auch in Kenia

Gefährdet sind im Allgemeinen Kinder und vor allem Mädchen, die besonders von Armut betroffen sind. Dazu gehören etwa verwaiste oder auf der Straße lebende Kinder und Jugendliche. Die genannte Studie stellt deshalb auch fest, dass es einen Zusammenhang zwischen Ernährungsunsicherheit und Gewalterfahrungen in der Kindheit gibt.

Die Armut ist die Hauptursache, die Kinder und ihre Familien in die kommerzielle sexuelle Ausbeutung treibt. Sex gegen Essen oder andere Waren – das ist die traurige und weit verbreitete Normalität. Laut unserer Partnerorganisation liegt das „Einstiegsalter“ durchschnittlich bei 14 Jahren. Diese Situation zieht auch Sexualstraftäter und Sexualstraftäterinnen aus dem Ausland an und steht für die Schattenseite des Tourismus nach Kenia.

Sexuelle Ausbeutung im Tourismus

Auch wenn Kinder nicht nur durch Touristen und Reisende ausgebeutet werden, ist in diesem Fall das Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen extrem. Zusätzlich können Reisende dem Rechtssystem durch eine Ausreise entkommen. Ohnehin ist die Justiz nicht effektiv, oftmals korrupt und nicht kinderfreundlich. Vor Gericht landen die Täter:innen selten – sie bleiben inder Regel straffrei und die Opfer ungeschützt.

Eine Strafverfolgung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Täter:innen versuchen, ihre Spuren zu verwischen. Oft kommen sie in Privatunterkünften unter oder nutzen Mittelspersonen.[3] Diese Mittelspersonen behalten dann oftmals das Geld, so dass die Kinder am Ende auch noch leer ausgehen. Eine Studie von ECPAT registriert zudem eine „Kultur des Schweigens“ innerhalb der Communities. Die führt ebenfalls dazu, dass beobachtete Verbrechen nicht zur Anzeige gebracht werden.[4] Die Anbahnung findet zunehmend im Internet statt, vornehmlich auf legalen Plattformen wie Facebook und nicht – wie oft vermutet – über Foren im Darknet.

Missbrauch in Kenia
Viele Mädchen leiden an Traumata durch Vergewaltigungen
Was kann getan werden?

Der oben erwähnten Studie der kenianischen Regierung zufolge haben nur zehn Prozent der Mädchen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, danach Hilfe gesucht. Nur die Hälfte von ihnen wandte sich an professionelle Stellen. Warum? Weil die Gewalt nicht als Problem wahrgenommen wird, sondern als Normalität.

Um das zu ändern, braucht es zunächst vor allem einen Bewusstseinswandel. Die Betroffenen und ihre Familien müssen sich darüber klar werden, dass Gewalt gegen Kinder – und gerade sexualisierte Gewalt – einen schweren Rechtsbruch darstellt. Und zwar auch dann, wenn sie geschieht, um das eigene Überleben zu sichern. Dafür müssen Alternativen geschaffen werden: Einkommensmöglichkeiten, die verhindern, dass Kinder zu kommerziellen Zwecken sexuell ausgebeutet werden. Außerdem müssen die Betroffenen dringend Angebote erhalten, dass Erlebte zu verarbeiten. Nicht zuletzt müssen Kinderschutzsysteme ausgebaut und die Strafverfolgung – über nationale Grenzen hinweg – gestärkt werden.

Die Arbeit des International Centers for Reproductive Health Kenya (ICRH-K) in Mombasa

Unsere Partnerorganisation, das „International Centre for Reproductive Health Kenya“ [5], arbeitet präventiv. Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu Ursachen und Auswirkungen der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Mädchen und Jungen sensibilisiert in einem ersten Schritt Kinder und Jugendliche, aber auch ihr Umfeld: Eltern, Lehrer- und Erziehungspersonen sowie sonstige Mitglieder der Community. In einem zweiten Schritt werden auch Vertreter:innen staatlicher Behörden, traditionelle Autoritäten oder auch Barbetreiber:innen mit einbezogen, um durch gezielte Maßnahmen Kinder besser zu schützen. So entsteht nach und nach ein enges Unterstützungsnetz durch unterschiedliche Akteure, die sich engagiert dafür einsetzen, gefährdete Kinder und Jugendliche zu identifizieren und durch geeignete Aktionen zu schützen.

Nur wenige Opfer von Gewalt holen sich Hilfe
Leider holen sich nur wenige Mädchen Hilfe

Therapie- und Beratungsangebote helfen den Betroffenen, ihr seelisches Gleichgewicht wiederzugewinnen. Zudem brauchen diese Kinder eine Perspektive, die ihnen den Ausstieg aus der kommerziellen sexuellen Ausbeutung erleichtert. Zu diesem Zweck vermittelt das ICRH-K Zugänge zu Bildungsstipendien oder Angebote beruflicher Bildung. Die Eltern oder Erziehungsberechtigten der Kinder wiederum erhalten Hilfestellung dabei, ihr Einkommen zu steigern, damit sie ihre Kinder besser unterstützen können.

Was können Reisende tun? Nicht wegsehen!

Im Ausland können Reisende Hinweise zu Sexualstraftäter:innen an lokale Polizeibehörden und Kindesschutzorganisationen melden. Oder sie können ganz niederschwellig die durch ECPAT Deutschland betriebenen Internetseite nutzen: https://www.nicht-wegsehen.net/

Sexualstraftaten können auch in den Heimatländern der Täter:innen zur Anzeige gebracht werden, zum Beispiel in Deutschland. Für schwerwiegende Delikte gilt in diesem Fall die hiesige Rechtsprechung, auch wenn die Straftat im Ausland begangen wurde. Dies gilt für fast alle EU-Staaten und u.a. für Australien, Neuseeland und die USA. Wer Täter:innen anzeigt, trägt somit zu ihrer Strafverfolgung bei!

[1] http://protectingchildrenintourism.org/wp-content/uploads/2018/05/COUNTRY-Kenya.pdf

[2] https://www.unicef.org/kenya/media/1516/file/2019%20Violence%20Against%20Children%20Survey%20(VACS)%20.pdf

[3] https://www.upr-info.org/sites/default/files/document/kenya/session_35_-_january_2020/js6_upr35_ken_e_main.pdf

[4] https://www.ecpat.at/fileadmin/download/Flyer___Broschueren/Handbucher/Hanbuch_Einzeldateien/Laenderinfo-Kenia.pdf

[5] https://www.icrhk.org/commercial-sexual-exploitation-of-children-project-csec/

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Autor: Kindernothilfe e.V.

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