Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gibt es weltweit 152 Millionen arbeitende Kinder zwischen 5 und 17 Jahren. Fast die Hälfte davon – 73 Millionen – schuften unter ausbeuterischen Bedingungen. Oft gehen sie gefährlichen und unzumutbaren Tätigkeiten nach, etwa in Minen, in Steinbrüchen oder auf Tabakplantagen. Die Vereinten Nationen haben daher 2021 zum Jahr der Abschaffung der Kinderarbeit ausgerufen. Das ist gut! Noch besser ist es, wenn die betroffenen Kinder und Jugendlichen mitreden dürfen. Unsere Kampagnen „Time to Talk“ und „Dialogue Works“ stellen deshalb Partizipation in den Mittelpunkt.
Text: Lea Kulakow
Kinder und Jugendliche sollen bei allen gesellschaftlichen und politischen Themen, die sie betreffen, Mitspracherecht haben. Das sagt Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention. Tatsache jedoch ist, dass gerade besonders gefährdete Gruppen – etwa arbeitende Kinder und Jugendliche – dieses Recht oft nicht in Anspruch nehmen können. Schon 2016 startete deshalb die Kindernothilfe gemeinsam mit der deutschen Sektion von „terre des hommes“ die internationale Kampagne It´s Time to Talk! – Children’s Views on Children’s Work“. Mitfinanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), unterstützte die Kampagne 26 lokale Kinderkomitees in 19 Ländern bei ihren Aktivitäten und Veranstaltungen zur Verwirklichung ihrer Rechte.
Vier Jahre lang diskutierten Kinder und Jugendliche über Bedingungen, Probleme und Perspektiven von Kinderarbeit. Mit gemeinsam entwickelten Empfehlungen für politische Programme und Strategien wandten sie sich an Entscheidungstragende und klärten die Öffentlichkeit über die ihnen zustehenden Rechte auf. Die im Juli 2020 beendete Kampagne markiert mit ihrem innovativen Ansatz einen großen Schritt auf dem Weg zur Stärkung des Rechts auf Teilhabe.
Jugendpartizipation auf globaler Ebene
Als internationale Kinderrechtsorganisation unterstützt die Kindernothilfe die lokalen Kinderkomitees dabei, politische Türen für Beteiligungsmöglichkeiten zu öffnen. Neben der Teilnahme von zwei Kinderkomiteemitgliedern aus Indonesien auf dem Global Child Forum in Schweden 2018 folgten zwei Jugendliche der Einladung zur Feier des BMZ zum 30-jährigen Jubiläum der Kinderrechtskonvention.
Die dritte Gelegenheit zur Mitsprache bot der diesjährige Gipfel der Zivilgesellschaft der G20-Staaten (C20), der aufgrund der COVID-19 Pandemie virtuell abgehalten wurde. Je zwei Jugendliche aus Bangladesch und Kenia sprachen dort als Teilnehmende des offiziellen Programms über Bildung, Kinderarbeit und Gleichberechtigung. Zudem berichteten sie von den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf ihre Arbeitsbedingungen. Ihre zentralen Anliegen – etwa die Forderung nach Bildungsmöglichkeiten für arbeitende Kinder und Jugendliche weltweit – richteten sie an alle beteiligten Länder und Regierungen. Der C20-Gipfel findet jährlich statt und dient dazu, der Zivilgesellschaft Gehör gegenüber Regierungen und Unternehmen zu verschaffen.
Positive Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen
Aber nicht nur auf der politischen Ebene konnte die Kampagne „Time to Talk“ wichtige Ziele erreichen. Auch im Leben der einzelnen Komitee-Mitglieder hat sich vieles verändert. Eine globale Evaluation des Projekts wies eindeutig nach, dass sich die Möglichkeiten sinnvoller Partizipation positiv auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken. Auch vermittelte die Teilnahme an den Kinderkomitee-Treffen den Beteiligten fundiertes Wissen über Rechte wie Kinderschutz oder Bildung.
Warum also ist Partizipation so grundlegend? Weil sie Kindern und Jugendlichen die Augen dafür öffnet, wie sie sich wirksam für ihre Interessen einsetzen und wie sie dafür politische und demokratische Prozesse nutzen können. Aktive Beteiligung fördert außerdem das Selbstbewusstsein und den Mut, Themen anzusprechen und Forderungen zu stellen, die Kinder und Jugendlichen selbst wichtig sind. Kommunikationsfähigkeiten werden gefördert, um sich gegenüber anderen, auch Erwachsenen, auszudrücken und für eigene Bedürfnisse einzustehen. Nicht zuletzt fördert Teilhabe die Fähigkeit, sich der eigenen Situation bewusst zu werden und für die Zukunft und spätere Herausforderungen gewappnet zu sein.
Dialogue Works – die Beteiligung arbeitender Kinder nachhaltig stärken
Gemeinsam starteten wir deshalb im Oktober 2020 die internationale Kampagne Dialogue Works/Dialog wirkt – Die Beteiligung arbeitender Kinder nachhaltig in gesellschaftlichen und politischen Prozessen verankern. Die Kampagne basiert auf den Ergebnissen und Empfehlungen des Vorgängerprojekts „Time to Talk“ und knüpft an die Erfolge und Lernerfahrungen an. Überdies ist sie eine Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, die Kinderarbeit und ausbeuterische Verhältnisse zusätzlich begünstigt.
Mit der neuen Kampagne stärken wir weltweit rund 30 Kinderkomitees, deren Mitglieder ihre Erfahrungen mit Kinderarbeit in der Gruppe teilen und dadurch voneinander lernen. Indem sie ihre Rechte und Bedürfnisse gegenüber Politik und Gesellschaft einfordern, entsteht ein globaler Austausch zwischen arbeitenden Kindern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Entscheidungstragenden. Erst dieser Austausch ermöglicht politische Maßnahmen und Eingriffe, die nachhaltig zur Verbesserung der Lebensumstände arbeitender Kinder beitragen.