Südafrika versucht die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie unter anderem durch die geordnete Unterbringung von Obdachlosen einzudämmen. Drogentherapie, Gesundheitsuntersuchungen, sanitäre Anlagen: Nach außen hin bieten die Einrichtungen für die Schutzsuchenden viele Vorteile. Doch unsere Partnerorganisation Youth For Christ (YFC) berichtet von besorgniserregenden Entwicklungen.
Text: Markus Aust
Insbesondere Obdachlose leiden in Südafrika drastisch unter der COVID-19-Pandemie. Gründe dafür gibt es genug: Vorerkrankungen, beschränkter Zugang zu sanitären Einrichtungen, kein Geld für Hygiene-Produkte. In Südafrika leben Hunderttausende auf den Straßen. Ohne feste Unterkunft versuchen sie, durch Betteln über die Runden zu kommen. Der 18-jährige Lorean ist einer von ihnen. (Name geändert)
Warmes Heim, kalter Entzug
Aktuell verbringt Lorean seine Nächte nicht mehr auf den Straßen von Pietermaritzburg. Gemeinsam mit vielen weiteren Männern, Frauen und Jugendlichen bekam er ein Dach über dem Kopf „geschenkt“ – vorübergehend jedenfalls. Als Teil der Pandemie-Strategie lesen die Behörden in Südafrika Obdachlose auf und bringen sie in temporären Einrichtungen unter. Das Ziel: die Eindämmung einer massenhaften und unkontrollierten Verbreitung des Erregers.

Zugleich bedeutet diese meist unfreiwillige Unterbringung für viele Bewohnerinnen und Bewohner auch einen kalten Entzug. Drogen sind in Südafrika ein weit verbreitetes Problem – insbesondere Kinder, die auf der Straße leben, sind betroffen. Viele fürchten sich regelrecht vor den Einrichtungen, weil sie wissen, was dort auf sie zukommt. Mit den Worten „Mein Herz war sehr schwer“ beschreibt Lorean die Ankunft in der Einrichtung.
Corona in Südafrika: Quarantäne als Neuanfang
Und dennoch: Der Grundgedanke ist gut. Aktuell leben 317 Männer zwischen 16 und 37 Jahren in den Schutzräumen. In den Unterkünften für Mädchen und Frauen sind es mittlerweile 58. Ihre Versorgung ist gesichert: Drei Mahlzeiten erhalten die Bewohner jeden Tag. Auch die sanitären Einrichtungen funktionieren, für die Frauen steht sogar heißes Wasser zur Verfügung.
Täglich kommen Gesundheitsbeamte und Ärzte in die Einrichtungen und untersuchen die Bewohner auf mögliche Krankheiten. Mögliche Anzeichen einer Ansteckung sollen somit frühzeitig erkannt werden. Damit leisten die hier Festgesetzten ihren Beitrag zur Reduzierung der Fallzahlen in Südafrika. Auch Lorean sieht die Vorteile. Er spricht davon, dass es „keine Probleme mit Drogen mehr gibt“, und versteht den Aufenthalt in der Einrichtung als einen Neuanfang.
Berichte von Gewaltanwendung

Trotzdem gibt es Anlass zur Beunruhigung. Unsere Partnerorganisation Youth For Christ (YFC) ist eine der NGOs in Südafrika, die bis zu vier Mal in der Woche Zugang zu den Einrichtungen haben. In regelmäßigen Meetings tauschen sie sich mit den Jugendlichen über ihre Situation und die Zustände in den Unterkünften aus.
Die Berichte der letzten Wochen waren erschreckend: Die Frauen erzählten von sexueller Ausbeutung durch die örtlichen Sicherheitskräfte. Auch die Suchtpatienten leiden, sämtliche Medikamente wurden abgestellt. Die Entzugserscheinungen trieben viele zur Flucht, die die Sicherheitskräfte jedoch verhinderten – und dabei nicht zimperlich mit den Betroffenen umgingen.
Unser Partner setzt sich für bessere Wohnbedingungen ein
YFC bemüht sich vor Ort um eine Verbesserung der Zustände in den Unterkünften. Erste Fortschritte gibt es bereits: Die Anzahl der männlichen Sicherheitskräfte in den Unterkünfte für Frauen wurde reduziert, dadurch hat die Gewalt durch das Wachpersonal deutlich abgenommen. Im Gespräch mit unseren Partnern von YFC hat Lorean weitere Verbesserungsvorschläge gemacht: Er wünscht sich mehr Mitspracherecht in Bezug auf die Zustände in den Einrichtungen. Dabei denkt er an Foren, in denen sich die Jugendlichen austauschen und gemeinsam über mögliche Verbesserungen beratschlagen können. YFC unterstützt das nach Kräften.