Projektkoordinatorin, unabhängige Beraterin, nationale SHG-Trainerin: Bereits seit 2000 ist Sinafikish (kurz: Sina) Legesse Tsegaye für die Kindernothilfe in Afrika tätig. Vor allem als Trainerin für Kinderschutz leistet sie aktuell eine enorm wichtige Leistung zur Förderung der Kinderrechte. Zu Gesprächen war Sina in der Kindernothilfe-Geschäftsstelle zu Besuch. Mit Sophie Rutter sprach sie über ihre Tätigkeit.
Text und Fotos: Kindernothilfe
Kindernothilfe: Hallo Sina, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu sprechen. Bitte erzählen Sie doch unseren Leserinnen und Lesern etwas über sich.
Sina: Ich wurde 1967 in Jimma, im südwestlichen Teil von Äthiopien, geboren. Meine Familie gehört der Mittelklasse an. Als ich mit der weiterführenden Schule fertig war, begann ich mein Studium an der Addis Abeba Universität und schloss mit einem Bachelor in Sozialwissenschaften ab. Nach der Universität habe ich zunächst bei einer Regierungsbehörde als Junior Planungsexpertin gearbeitet. 1997 wechselte ich dann zu einer internationalen Nichtregierungsorganisation, die sich auf die Arbeit mit Kindern und Frauen spezialisiert hat.
Während meiner Zeit dort hatte ich viel mit Projekten zu tun, die von der Kindernothilfe unterstützt werden. Ich konnte wertvolle Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit den Kindernothilfe-Partnern JECCDO und FC sammeln. Als die Kindernothilfe ihren Partnern in Äthiopien die Arbeit mit Selbsthilfegruppen (SHG) vorstellte, war ich diejenige, die als nationale Trainerin anderen NGOs dieses Konzept näherbrachte.
2010 später entschied ich mich, unabhängige Beraterin zu werden, besonders für die Kindernothilfe als Ko-Länderkoordinatorin für Äthiopien sowie als Regionale Kinderschutz-Trainerin für Afrika.
Seit wann arbeiten Sie für die Kindernothilfe und warum? Welche Tätigkeiten üben Sie für die Kindernothilfe aus?
Sina: Ich kenne die Kindernothilfe seit 2000. Damals habe ich für eine der äthiopischen Partnerorganisationen, die von der Kindernothilfe unterstützt wurden, als Projektkoordinatorin gearbeitet. Anschließend wurde ich erst Promoterin für die Selbsthilfegruppen, dann nationale Trainerin für den Selbsthilfegruppenansatz in Äthiopien. Meine größte Motivation, für die Kindernothilfe zu arbeiten, ist ihre Strategie, benachteiligten Gruppen wie Frauen in der Gesellschaft zu helfen. Wie zum Beispiel mit dem Selbsthilfegruppenkonzept, das genau diese Gruppen in den Programmen und Projekten unterstützt. Die Kindernothilfe ist eine offene und entwicklungsorientierte Organisation, die an eine dynamische Entwicklungsstrategie glaubt und die das Beste aus den Menschen herausholt.
Zudem bin ich auch regionale Mentorin für das Selbsthilfegruppenkonzept in Äthiopien und Somaliland. Das bedeutet, dass ich durch technischen Support der nationalen SHG-Koordinatoren versuche, den Aufbau von Selbsthilfegruppen in den Ländern zu unterstützen. Das beinhaltet auch Qualifizierungsworkshops und dass ich überprüfe, wie das Konzept in die Praxis umgesetzt wird. In Äthiopien existieren insgesamt 11.480 Gruppen und 25 Föderationen, in Somaliland 813 Gruppen.
Seit einigen Jahren sind Sie außerdem Kinderschutz-Trainerin in Afrika. Wie viele Workshops haben Sie bereits durchgeführt? Was unterrichten Sie in den Kursen? Und welche Veränderungen stellen sie in den Organisationen fest?
Sina: Seit 2012 habe ich 61 Workshops in 11 afrikanischen Ländern geleitet. Die Kinderschutz-Schulungen haben die Kindernothilfe-Partner dabei unterstützt, ihre eigenen Situationen zu reflektieren. Sie haben Strategien entwickeln können, wie sie Gewalt an Kindern verhindern. Und sie haben eine eigene Kinderschutz-Policy entwickeln können, um die Sicherheit der Kinder zu verbessern. Die Kinderschutz-Systeme sind entwickelt, die Verfahren im Fall eines Verdachtsfalls stehen fest. Die Partner haben jetzt begonnen, diese innerhalb ihrer Organisationen und in allen Einsatzgebieten umzusetzen.
Die Organisationen in Afrika haben das System zur Steigerung des Kinderschutzes unmittelbar in ihrem Arbeitsumfeld umgesetzt. Durch diesen Prozess und die Schulung der Mitarbeitenden entstand eine Kultur, in der Kinderrechte respektiert werden. Zusammen mit anderen Beteiligten wurden aktiv sichere Orte für Kinder geschaffen, um das Risiko von Gewalt an Kindern zu minimieren. Die Kinder haben erstmals begonnen, sich zu öffnen, über Misshandlungen zu reden sowie Selbstvertrauen und ein Selbstwertgefühl zu entwickeln. Vor allem aber sind sie in der Lage, an der Programmentwicklung und dem Kinderschutz-Prozess teilzuhaben.
Was ist das Besondere an dem Kinderschutz-Programm der Kindernothilfe?
Die drei Schulungsmodule, die für verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Zielvorstellungen konzipiert wurden, sind für die unterschiedlichsten Organisationstypen relevant. Es ist ein beteiligungsorientiertes und aktives Training mit einem praxisorientierten Methodenmix. Außerdem haben wir ein breit aufgestelltes Team mit entsprechenden regionalen und nationalen Trainern für die jeweiligen Kontinente und Länder. Ein weiterer Vorteil ist, dass nach jedem Modulworkshop die lokalen Trainerinnen und Trainer die Organisationen bei der Umsetzung begleiten. Die Partner haben begonnen, die Kinder in den Projekten bei der Umsetzung der Kinderschutz-Policy einzubinden. Das hilft den Organisationen, die Risikobereiche aus den Augen der Kinder wahrzunehmen.
Wie waren die Tage hier in Duisburg für Sie?
Sina: Die Kindernothilfe ist eine Organisation, die jedem immer die Möglichkeit gibt zu lernen – daher konnte auch ich während meines Aufenthaltes hier in Duisburg viel dazulernen. Ich habe hier meine Arbeit reflektiert und meine Geschichte mit anderen geteilt. Zudem konnte ich viel von Menschen erfahren, die in weitere Selbsthilfe- und Kinderschutz-Prozesse involviert sind. Ich fliege mit sehr viel Motivation nach Afrika zurück.